Hier finden Sie im Artikelformat die Newsletter, die ich in den letzten ca. 10 Jahren an meine Mandanten und an interessierte Kreise per Mail versandt habe. Diese stellen eine allgemeine Information und keine individuelle Beratung dar. Wünschen Sie die Aufnahme in die Liste der Empfänger zukünftiger Newsletter, so teilen Sie mir dies bitte über das Kontaktformular mit. Vielen Dank.
1. Die Ausgangslage
Bei der Erbschleicherei handelt es sich bedauerlicherweise um ein weit verbreitetes Phänomen. Sie läuft in etwa so ab: Jemand erschleicht sich das besondere Vertrauen eines anderen, eher unterlegen und hilflosen Menschen. Im Anschluss hieran missbraucht er dieses Vertrauen und die entstandene Machtposition, indem er sich entweder zu Lebzeiten dieses Menschen oder spätestens nach dessen Ableben wirtschaftliche Vorteile verschafft und sich – mehr oder weniger – schamlos bereichert. In rechtlicher oder jedenfalls moralischer Hinsicht halten wir dieses Verhalten verwerflich. Die Umsetzung erfolgt trick – und variantenreich.
Natürlich kommen uns sogleich bestimmte Klischees in den Sinn. Die Lebensabschnittsgefährtin pflegt „liebevoll“ den deutlich älteren Mann. Die Kinder aus der ersten Ehe werden „weggebissen“, bis sie schließlich aus dem Testament verschwinden. Oder: Die gerissene, leicht dominante Haushaltshilfe einer 87-Jährigen sorgt durch ständiges Drängeln dafür, dass sie im Testament üppig bedacht wird. Keine Klischees – sie existieren leider so!
2. Wie gehen solche Menschen bei der Erbschleicherei typischerweise vor?
Es sind immer wieder die gleichen Muster, die man beobachten kann:
- Vertrauen erwerben: Im ersten Schritt geht es darum, das Vertrauen des anderen zu erwerben, um diesen später zu manipulieren bzw. seine Hilflosigkeit auszunutzen.
- Abschirmen: Parallel dazu werden häufig die nächsten Angehörigen oder sonstige, nahestehende Personen von dem älteren bzw. hilflosen Mensch abgeschirmt. Gesundheitliche Gründe oder z.B. der ständige Einwand, „der alte Herr brauche unbedingt seine Ruhe“ müssen dafür herhalten.
- Abzocken: Der Erbschleicher ist erst am Ziel angelangt, wenn die Person (der zukünftige Erblasser) durch Druck, auch psychischen Druck, Täuschung oder sonstige Manipulation eine entsprechende letztwillige Verfügung (Testament) im Interesse des Erbschleichers errichtet oder eine aus Sicht des Erbschleichers nachteilige letztwillige Verfügung (Testament) ändert bzw. beseitigt. Oder man ergaunert sich schon zu Lebzeiten Teile dessen Vermögen.
- Spuren verwischen: Ältere Testamente, die einen anderen letzten Willen des Erblassers bekunden, werden vernichtet (im Übrigen ein strafrechtliches Delikt, da Urkundenunterdrückung) oder z.B. Kontounterlagen, die erhebliche, verdächtige Barentnahmen belegen könnten, verschwinden.
Der Erbschleicher ist von Geld, Geltungssucht und Machtausübung geleitet. Neid, Rivalität oder das Bedürfnis, es den anderen heimzuzahlen sind gerne Begleiter seiner Motivation.
Die Grenzen zwischen rechtlich nicht vorwerfbarer Beeinflussung und unerlaubter Manipulation, z.B. eines dementen und nicht mehr testierfähigen Menschen sind leider fließend und daher als Grauzone immer wieder Schauplatz von rechtlichen Auseinandersetzungen.
3. Welche Handwerkszeuge stehen dem Erbschleicher zur Verfügung?
Häufig beginnt er seine Karriere damit, dass ihm eine Vorsorgevollmacht oder gar eine Generalvollmacht erteilt wird. Später kommt die Begünstigung in einem Testament dieser manipulierten Person hinzu. Häufig kommt es schon zu Lebzeiten zu Schenkungen und anderen Zuwendungen. Die vorhandene Vollmacht und/oder entsprechende EC-/Girokarte + Pin erlauben den relativ unkontrollierten Zugang zu den Konten des manipulierten Menschen.
In der Tätertypologie ist alles vertreten. Die nächsten Angehörigen („Guter Bruder“ gegen „Böse Schwester“), die zweite Ehefrau des Vaters oder sonstige Angehörige aus Patchwork- Familien. Und natürlich die Personen, die regelmäßig direkten Zugang zu den älteren, häufig alleinstehenden und kinderlosen Menschen haben, nämlich Pflege- und Haushaltskräfte, „hilfsbereite“ Nachbarn, „Verehrer“ etc.. Und schließlich kommen all die Berater, nämlich Steuerberater, Notare, Ärzte (!) und leider auch Rechtsanwälte, die entweder von ihrer Gier nach Beratungsgebühren angetrieben werden oder sich als Ergebnis ihrer Beratung weitere wirtschaftliche Vorteile zuschanzen lassen. Der langjährige Steuerberater oder Rechtsanwalt schielt gerne auf das Amt des Testamentsvollstreckers, das recht attraktiv vergütet sein kann. Es ist mir u.a. ein Fall bekannt geworden, bei dem der langjährige Steuerberater zunächst das ältere Ehepaar zu einer bestimmten Testamentskonstruktion bewogen hat, mit der nach dem Ableben des zuletzt versterbenden Ehegatten eine Stiftung errichtet wurde – die einzige Tochter wurde enterbt – und dann zufälliger Weise der Steuerberater Vorsitzender des Vorstandes dieser Stiftung wurde und zusätzlich der Testamentsvollstrecker des zuletzt Versterbenden.
4. Welches sind die offensichtlichsten Alarmzeichen, dass irgend etwas schief läuft?
Häufig beginnt es mit der oben beschriebenen „Abschirmung“. Den nächsten Angehörigen wird es immer schwieriger, Zugang und Kontakt zu dem Angehörigen zu finden. Fremde, übereifrige Menschen treten unmittelbar aus dem Nichts auf und führen plötzlich das Regiment, während die Angehörigen immer klarer eine Demenz feststellen. Andere Angehörige werden wiederum schlecht gemacht, sodass sich bei den älteren und so manipulierten Menschen früher oder später die Einstellung ergibt, dass diesen Angehörigen aus dem Erbe nichts zustehen soll. Längere Krankheiten oder Krankhausaufenthalte werden für bestimmte Aktionen in dreister Weise ausgenutzt. Ohne nachvollziehbare Ursachen kommt es plötzlich zur Verschlechterung der Beziehung, die man sich aus Anstand mit Altersstarrsinn erklärt.
5. Wie kann man vorbeugen und wie kann man sich wehren?
Die wichtigste Regel scheint mir nach meiner Erfahrung zu sein, so wie wohl auch sonst im Leben, den regelmäßigen Kontakt zu den nahen Angehörigen zu suchen. Also rechtzeitig kommunizieren und sich dabei am besten mit allen betroffenen Familienangehörigen absprechen. Bei der erforderlichen Pflege und Versorgung der älteren Angehörigen darf kein Wettlauf, kein „Kampf“ um die Fürsorge bzw. die Organisation der Fürsorge eintreten.
Möglichst gemeinsam anstehende Fragen einer Testamentserrichtung ansprechen. In kritischen Fällen kommen gemeinschaftliche Testamente der Eheleute bzw. Eltern oder ein Erbvertrag in Frage, der ggf. auch die Kinder mit einschließt. So kann eine größere Verbindlichkeit der gewollten Erbfolgeregelung bewirkt und größerer Unfug vermieden werden.
Natürlich stehen die nächsten Angehörigen immer in einem Dilemma. Sie wollen eigentlich nur mit der Absicht der Fürsorge und der präventiven Gefahrenabwehr handeln, was andere zugleich unterschwellig als Erbschleicherei disqualifizieren könnten.
Wie kann man also den älteren Menschen helfen und dies ohne eigennützige Motive tun?
Dieses Dilemma ist schwer zu lösen. Während der eine häufig vom bloßen selbstlosen Helfen angetrieben ist, ist bei anderen die bloße Geldgier der Motor des Antriebs. Schnell entstehen überflüssige Verdächtigungen. Ggf. hilft die Einschaltung eines neutralen Dritten oder ggf. eines Beraters, sofern dieser frei von selbstsüchtigen Motiven handeln kann und z.B. „moderiert“. Feingefühl ist in jedem Falle gefragt.
Wiegen die Verdachtsmomente irgendwann zu schwer, weil zu befürchten ist, dass schon zu Lebzeiten durch rechtswidrige oder gar kriminelle Verhaltensweisen das Vermögen des eher wehrlosen Angehörigen abgeschöpft wird, so kann es ratsam sein, wenigstens eine Betreuung dieser Person über die Sozialbehörden anzuregen oder ggf. die Polizei einzuschalten (in Hamburg: bei den sog. Betreuungsstellen der Bezirksämtern, siehe unter www.hamburg.de / Betreuungsstellen).
Nicht immer muss es zu völlig düsteren Kapiteln kommen. Häufig wird ein klärendes Gespräch unter allen Beteiligten genügen um die Situation zu richten oder auch um Missverständnisse oder Wahrnehmungsstörungen zu beseitigen.
Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen und der Erbfall eingetreten, so ist nicht gleich alles verloren. So manches Testament ist schon mit Erfolg vor Gericht angegriffen worden. Dann muss eben gekämpft werden! Kontounterlagen oder sonstige Belege, die man in den Unterlagen des Erblassers findet, mögen die Spur verraten und nachträglich der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Denn irgendwann muss der Dreistigkeit Einhalt geboten werden. Eines muss jedoch immer wieder betont werden: Die Erbenstellung ist in der Regel nur eine „Anwartschaft“ – nicht aber der Garant zum Reichwerden.
Ihr Rechtsanwalt Dr. Matthias Baus
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