Vermögensnachfolge und Strukturierung des Vermögens

Allgemein

Hier finden Sie im Artikelformat die Newsletter, die ich in den letzten ca. 10 Jahren an meine Mandanten und an interessierte Kreise per Mail versandt habe. Diese stellen eine allgemeine Information und keine individuelle Beratung dar. Wünschen Sie die Aufnahme in die Liste der Empfänger zukünftiger Newsletter, so teilen Sie mir dies bitte über das Kontaktformular mit. Vielen Dank.

Dies ist die erste Mandanten-Information, die Sie von mir erhalten. Der Schwerpunkt meiner juristischen Beratung liegt in der Vermögensnachfolge und der Verwaltung und Strukturierung des Vermögens – auf Neudeutsch „Private Wealth Management“. Ich vertrete den Ansatz einer ganzheitlichen Beratung, die eindeutig über das eigentliche Erbrecht hinausgeht.

Mit diesem und den kommenden Rundbriefen werde ich meine Mandanten und interessierte Kreise regelmäßig auf wichtige rechtliche und steuerliche Aspekte des Erbrechts und der Vermögensnachfolge hinweisen. Ich freue mich über Ihr feed-back.

Im Grunde geht es dabei um viele, sehr existenzielle Fragestellungen:

  1. Bin ich zu Lebzeiten gut versorgt ? Dies ist die Ausgangsfrage und verlangt ein gutes Verständnis der Qualität und Sicherheit der einzelnen Vermögensgegenstände einerseits und des zukünftigen Versorgungs- und Liquiditätsbedarf andererseits. Dazu gehören auch Versorgungsansprüche wie Renten, Pensionen oder auch Lebensversicherungen. Hier müssen Sie sehr langfristig denken und keinesfalls außer Acht lassen, dass Inflation und Steuer Ihre Hauptfeinde sind und die reale Kaufkraft Ihrer Erträge und Versorgungsansprüche bestimmen.Wie sieht es mit Vorsorgeregelungen aus, wenn Sie geistig oder körperlich nicht mehr in der Lage sind, Ihre Geschäfte zu tätigen und die Geschäfte des täglichen Lebens zu regeln? Stichworte: Vorsorgevollmacht, hinterlegte Vollmachten bei Banken u.ä. Institutionen oder ein „Vorsorgeordner“, der übersichtlich und umfassend die wichtigsten Verträge, Dokumente und sonstigen Angelegenheiten erfasst ?
  2. Daran schließt sich die Frage an, wie Ihre Angehörigen im Falle Ihres Ablebens versorgt sind bzw. versorgt werden sollen. Die Antworten hierauf und auch etwaige Pflichtteilsansprüche des überlebenden Ehegatten oder Ihrer Abkömmlingen bestimmen maßgeblich die testamentarische Ausgestaltung Ihrer Verfügungen. Dazu gehört auch immer die Überlegung, welches „Störpotenzial“ existiert und mit welchen Mitteln diesem schon zu Lebzeiten zu Leibe gerückt werden kann.Es bleibt Raum für weitere Überlegungen: Wollen Sie, ggf. schon zu Lebzeiten etwas Gutes tun, und sich von Teilen des Vermögens trennen. Ggf. hegen Sie Bedenken, ob Ihren Erben das gesamte Vermögen zustehen soll. Schenkungen, Stiftungen, Spenden bieten sich an, sollten allerdings in ihrer Ausgestaltung und steuerlichen Optimierung genau durchdacht werden. Gerade bei Schenkungen sollten Sie Absicherungen in Form von Rücktrittsrechten oder Auflagen erwägen, wenn es plötzlich anders läuft als geplant.
  3. Die Wirklichkeit stellt sich meist noch komplizierter dar: Familien- und ehegüterrechtliche Überlegungen und Regelungen spielen mit hinein. Der Güterstand der Gütertrennung statt des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft reduziert z.B. die Pflichtteilsansprüche des überlebenden Ehegatten. Oder: mit dem Wechsel des gesetzlichen Güterstandes zur Gütertrennung während der Ehe kann schenkungsteuerfrei Vermögen auf den anderen Ehegatten übertragen werden. Minderjährige Erben müssen besonders bedacht werden etc. Internationale Sachverhalte wie z.B. eine gemischtnationale Ehe oder eine Ferienwohnung im Ausland machen es nicht einfacher.
  4. Weitere Komplikationen tauchen auf, wenn zu dem Nachlass unternehmerisch gebundenes Vermögen gehört, welches ggf. eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung (i.d.R. KG, GmbH und Co. KG oder GmbH) darstellt. Die Nachfolgeregelung also solches bedarf einer Lösung, d.h. ein qualifizierter Nachfolger muss bestimmt werden, und gesellschaftsrechtliche und testamentarische Regelungen müssen synchronisiert sein.
  5. Am Ende lassen sich diese Überlegungen und entsprechenden Ausgestaltungen auch in einen größeren Kontext packen. Wie wollen Sie innerhalb der Familie oder des Familienverbandes langfristig Vermögensplanung, Vermögenserhaltung und Vermögensmehrung organisieren? Kann der Zusammenhalt des Vermögens latent bewirken, dass der Zusammenhalt der Familie als solches, und zwar über Generationen, ebenfalls gestärkt wird? Welche rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen nehmen hier Einfluss? Welche rechtlichen Strukturen bei verhältnismäßig geringen Aufwand bieten sich hier an?Das sei an einem Beispiel der „generationenüberspringenden Schenkung“ demonstriert: ein Betrag von € 10.000 wird über eine Zeitachse von 25 Jahren alternativ (rechte Säule) vom Großvater an den Vater später von diesem an den Sohn (bzw. Enkel) vererbt gleich oder der Großvater legt den gleichen Betrag in Wege der vorweggenommenen Erbfolge unmittelbar an dem Enkel in die Wiege.In der ersten Alternative, d.h. bei 2 Erbfolgen – zunächst vom Großvater an den Vater und dann vom Vater an den Sohn, werden ferner Erbschafteuer in Höhe von jeweils 15% im Jahr 5 und am Ende im Jahr 25 unterstellt. Die Freibeträge sind durch andere Vermögenswerte schon ausgeschöpft. Diese Erbschaftsteuer fällt im Falle der vorweggenommenen Erbfolge wegen der Freibeträge erst gar nicht an. Ertragsteuern in Form der zukünftigen Abgeltungsteuer fallen in der ersten Variante für den Großvater bzw. Vater an, da diese i.d.R. dem Spitzensteuersatz unterliegen, während der junge Enkel, der sonst ohne nennenswerte Einkünfte ist, keinerlei Ertragsteuer zahlt. Der Unterschied ist gewaltig. In der ersten Variante werden aus den € 10.000 „nur“ € 24.400, in der zweiten Variante werden es € 42.900, d.h. das ursprünglich eingesetzte Kapital vervierfacht sich. Langfristigkeit, Disziplin, Vermögensplanung und Steueroptimierung zahlen sich also fast mit einer Verdoppelung der Rendite aus:

    Soweit die Rendite des Finanzkapitals. Werden die angesparten € 42.900 von dem inzwischen examinierten Enkel im Alter von 25 Jahren z.B. in ein Post-GraduateStudium in den USA oder sonst im Ausland reinvestiert, wandelt sich das Finanzkapital in „Humankapital“, dann kann der Hebel der Rendite auf Dauer noch viel stärker wirken.

Diese und ähnliche Fragstellungen und Lösungsmöglichkeiten werde ich in diesem und in den nächsten Rundbriefen immer wieder vorstellen. Heute beginnen wir mit einem Klassiker – dem Berliner Testament.

Berliner Testament – ein Klassiker mit vielen Haken und Ösen

Das Berliner Testament kennen wir fast alle, denn schon unsere Urgroßeltern haben sich auf dessen Wirkungen verlassen. Auch heute vertrauen immer noch viele Eheleute darauf. Doch stellt es wirklich in allen Fällen die optimale Gestaltung der Erbfolge dar ?

Ausgangsüberlegung des Berliner Testaments war: die Eheleute haben im Zweifel durch gemeinsames Zusammenwirkung und eine angemessene, meist „klassische“ Rollenverteilung zu zweit Vermögen angehäuft. Was mit dem gemeinsamen Vermögen nach dem Tod des ersten Ehegatten und später nach dem Tod des Überlebenden passieren soll, das soll gemeinsam und verbindlich in einem sog. gemeinschaftlichen Testament geregelt werden. Wie nahe liegend ist es dann und entspricht zudem dem Versorgungsinteresse des überlebenden Ehegatten, dass dieser zunächst und bis zu seinem Ableben die Alleinerbschaft antritt und mit dessen Tod erst die Kinder, die sich bisher höflich zurück gehalten haben, als Schlusserben entsprechend bedacht werden. So sähe das Berliner Testament in Reinkultur aus.

Doch nicht selten und gefördert vom Wandel der Werte und der Lebensanschauungen läuft es nicht immer so „glatt“ ab. Denn mit dem Berliner Testament gehen folgende Risiken einher:

Pflichtteilsansprüche, die „heilige Kuh“ des deutschen Erbrechts, die i.d.R. nicht testamentarisch ausgeschlossen werden können, werden nach dem ersten Erbfall von den Kindern geltend gemacht. Dem begegnet das Berliner Testament häufig mit sog. Pflichtteilsstrafklauseln, die entweder die nicht den Pflichtteil geltenden Kindern begünstigen oder den den Pflichtteil reklamierenden Abkömmling im zweiten Erbfall schlechter stellen.

• Die Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten, die immer mehr in Mode kommt, kann den Zweck der gemeinsamen Verfügung zerstören. Ohne umfangreiche testamentarische Begleitmusik wird folgendes eintreten: der neue Ehegatte des Überlebenden partizipiert bei dessen Erbfall als gesetzlicher Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigter. Im Gegenzug wird ein Teil des Vermögens aus der Familie „hinaus geschleust“, an dem die Kinder nach dem Tod des überlebenden Elternteils eigentlich hätten partizipieren sollen. Hier hilft nur eine Wiederverheiratungsklausel, die die Eltern im gemeinschaftlichen Testament vorsehen können.

Bindungswirkung: das Berliner, d.h. gemeinschaftliches Testament, erzeugt grundsätzlich eine Bindungswirkung der gemeinsam testierenden Elterteile – so z.B. in Bezug darauf, wie und mit welcher Quote die Kinder die Schlusserbschaft antreten. Der überlebende Elternteil kann sich i.d.R. dieser Bindungswirkung nicht entziehen. Häufig entsteht aber Streit über den Umfang der Bindungswirkung oder es wäre besser, wenn der überlebende, wenigstens zum Teil, von dieser Bin-dungswirkung über eine Individualklausel befreit wäre.

• Schließlich die Erbschaftsteuer: auch wenn erbschaftsteuerliche Motive nie die alleinigen Gründe für bestimmte testamentarische Regelungen ausmachen sollten – im Falle des Berliner Testaments kann es besonders dicke kommen. Denn der überlebende ist Alleinerbe und beim ersten Erbfall steht nur das Potenzial von einem Freibetrag zur Verfügung (heute € 307.000; demnächst aller Wahrscheinlichkeit nach € 500.000) und die Freibetragspotenziale der Kinder (heute € 205.000; demnächst aller Wahrscheinlichkeit nach € 400.000) werden verschenkt, bis es im Anschluss an den 2. Erbfall für den Fiskus ein 2. Mal in der Kasse klingelt. Allerdings wird häufig übersehen, dass im Falle der Zugewinngemeinschaft nach § 5 ErbschaftsteuerG der Wert des Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten gem. § 1371 BGB bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft nicht besteuert wird.

Meine Empfehlungen: Das klassische Vorbild des Berliner Testaments sollte immer kritisch hinterfragt werden. Vorhandene Testamente, die dem Berliner Testament entsprechen oder ihm sehr nahe kommen, sollten durchleuchtet werden, ob diese an alles gedacht haben und die oben beschriebenen Risiken beherrschbar sind. Der Grundsatz der „Wiedervorlage“ gilt übrigens für jedes Testament: denn zu schnell können sich die familiären und finanziellen Verhältnisse, die einmal gegolten haben, ändern. Für eher jüngere Ehepaare mit minderjährigen Kindern, die die Anfertigung eines Testaments eher als eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme begreifen, empfiehlt sich häufig ein „Supervermächtnis“: mit diesem wird der überlebende Ehepartner, der zugleich als Testamentsvollstrecker eingesetzt wird, ermächtigt zu Gunsten der Kinder nach dem 1. Erbfall Höhe, Fälligkeit und die Bedingungen von bloßen Vermächtnissen festzusetzen. Von der Vor- und Nacherbschaft rate ich eher ab.

In jedem Fall sollte sich jeder Erblasser immer von folgender Frage leiten lassen: Wer soll welchen Vermögensgegenstand wann, in welcher Form und unter welchen Bedingungen erhalten ? Die Antworten hierauf bestimmen den weiteren „Fahrplan“.

Abgeltungsteuer – dazu mehr in der nächsten Mandanteninformation und was sie indirekt mit Erben und Vererben zu tun hat. Was bis 31.12.2008 „abgeltungsteuerneutral“ angeschafft worden ist, verliert im Fall es Vererbens und Verschenkens die Abgeltungsteuerneutralität nicht – ein wichtiges Instrument für langfristiges „Estate Planning“ im Familienverband.

Erbschaftsteuerreform – auch dazu und insbesondere zu den Konsequenzen mehr im nächsten Rundbrief, vorausgesetzt, der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich seine Arbeit erledigt. Wegen der zu erwartenden, deutlich höheren Bewertung von Immobilien empfehle ich Pläne einer vorweggenommenen Erbfolge mit Bezug zu Immobilien, sofern sie nachhaltig und mit guten Gründen bestehen, umgehend umzusetzen, da wenigstens die Antragstellung der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch eine Voraussetzung sein wird, um die Privilegierung noch nach der bestehenden Rechtslage zu erhalten.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Baus