Plötzlich ist der Erbfall da

Allgemein

Hier finden Sie im Artikelformat die Newsletter, die ich in den letzten ca. 10 Jahren an meine Mandanten und an interessierte Kreise per Mail versandt habe. Diese stellen eine allgemeine Information und keine individuelle Beratung dar. Wünschen Sie die Aufnahme in die Liste der Empfänger zukünftiger Newsletter, so teilen Sie mir dies bitte über das Kontaktformular mit. Vielen Dank.

In den allermeisten Fällen kündigt sich der Tod bzw. der Erbfall nicht mit Datum und Uhrzeit an. Häufig kommt er eher plötzlich als erwartet.

Die Gedanken und Gefühle der Angehörigen und Hinterbliebenen kreisen dann zunächst um andere Dinge als gerade die geschäftsmäßige Abwicklung des Erbes. Zu Recht. Und dies als wichtige Botschaft vorab: Das Bedürfnis nach Trauer ist bei jedem der Angehörigen individuell ausgeprägt und sollte respektiert werden. Dies ist ein anderes Feld, das ich mit meinem Newsletter nicht thematisieren möchte, aber werbe hier in jedem Falle für Achtsamkeit, damit nicht schon an dieser Stelle die Emotionen mehr als üblich in Bewegung geraten.

Allerdings muss man sonst realistisch sein: Das Leben geht weiter, andere haben von dem Erbfall keine Kenntnis oder versuchen geradezu solche Situationen für sich auszunutzen.

Was ist also zum Schutz des Erbes und der Erben (die vielleicht noch gar nicht bekannt sind) in der ersten Zeit zu tun ?

1. „Sichern“

Sind „Haus und Hof“, Hab und Gut, Konten und Geld noch unter Kontrolle. Denn mit dem Tod einer Person geht unweigerlich ein Teil der Kontrolle verloren und Gelegenheit macht Diebe, gerade wenn man nicht vor Ort ist. Wo sind also noch Schlüssel zum Haus, zum Safe oder zum Auto im Umlauf ? Wer hat Vollmachten für Konten und Depots ? Sind Wertsachen oder Geld, die sich gewöhnlich in der Wohnung befunden haben, gesichert ? Ist irgendwo in der Wohnung ein Testament verwahrt, das ein übergangener Angehöriger leicht beseitigen könnte ?

Wenn Sie hier Zweifel haben oder Sie ein schlechtes Gefühl umschleicht: Gehen Sie auf Nummer sicher und ziehen Sie z.B. die Schlüssel ein (ggf. Schlossaustausch !) und widerrufen Sie Vollmachten für Konten und Depots, die ja auch über den Tod hinaus gelten können und machen Sie die Bank „bösgläubig“. Z.B. schon durch einen bloßen Anruf bei dem zuständigen Sachbearbeiter (wenn es einen solchen gibt), reichen Sie die Sterbeurkunde ein bzw. nach, sobald sie da ist. Aber Vorsicht: Es könnte sein, dass Sie damit die Ihnen selbst zu Lebzeiten erteilte Vollmacht wieder zerstören und dann selbst keinen Zugriff mehr auf das Konto haben und damit nicht über die Liquidität verfügen, die jetzt gerade gebraucht wird.

Wenn Sie nicht vor Ort sind: Ein Postnachsendeauftrag, auch on-line einrichtbar, ist sehr hilfreich. Wer versorgt das Haustier ?

2. „Legitimieren“, aber Vorsicht mit vorschneller Annahme der Erbschaft

Wenn Sie zum Erbe berufen sind, sei es über das Testament oder nach der gesetzlichen Erbfolge und wenn das Erbe nicht überschuldet ist, wollen Sie früher oder später das Erbe auch antreten und benötigen dafür die entsprechende Legitimation, wenigstens in der Form der Testamentseröffnung durch das Nachlassgericht oder eines Erbscheins, ebenfalls durch das Nachlassgericht. Beides kann Wochen oder, bei der chronischen Überlastung der Nachlassgerichte, auch mal Monate dauern.

Für jedwede Testamente, die nach dem Tode des Erblassers gefunden werden, gibt es eine gesetzliche Ablieferungspflicht gegenüber dem Nachlassgericht (§ 2259 BGB) – deren Beseitigung oder Unterdrückung stellt einen Straftatbestand dar.

Die sich anschließende Frage ist diejenige der Annahme oder Ausschlagung des Erbes. Für die eher seltene Ausschlagung (binnen 6 Wochen !) können sprechen: Überschuldung des Nachlasses (wenn es binnen 6 Wochen überhaupt schon feststellbar ist), taktische Gründe (man schlägt das testamentarische Erbe aus und behält sich das gesetzliche Erbe vor oder verlangt wenigstens den Pflichtteil) oder man hat, z.B. bei minimalen Erbteil, einfach keine Lust sich mit der ganzen „Mischpoke“ auseinanderzusetzen – alle Varianten sind m.E. nur nach anwaltlicher Beratung zu genießen. In den ersten Wochen sollte man sich allerdings davor hüten, zu ungeniert als „Erbe“ aufzutreten, es genügt, sich als Angehöriger auszugeben und die Sterbeurkunde vorzulegen.

3. „Aufräumen“

Damit kann man nicht früh genug anfangen, insbesondere, wenn man an der Erbenstellung keine Zweifel haben muss.

Dem Erben bzw. den Erben, wenn es eine Erbengemeinschaft ist, fallen viele Dinge auf die Füße: Auf dem Konto wird fleißig weiter abgebucht. Abonnements, (Kranken-) Versicherungen, Mitgliedschaften, GEZ und ggf. Mietverträge sind zu kündigen mit Widerruf der Einzugsermächtigung (z.B. mit Kopie der Sterbeurkunde) bzw. erlöschen – aber die andere Seite benötigt irgendwie Kenntnis von dem Tode, damit die Abbucherei aufhört.

Ein Tipp: Gehen Sie einfach die Auszüge des Girokontos der letzten 12 Monate durch. Alles, was regelmäßig Geld kostet, hinterlässt dort seine Spuren und entsprechende Benachrichtigungen. Auch sonst kann diese Übung ganz erhellend sein, weil sie übermäßigen Bargeldbedarf o.ä. in den letzten Monaten schonungslos offenbart.

Umgekehrt sollten die Träger von Rentenzahlungen (BfA, Unternehmen, Pensionskassen und private Rententräger) unterrichtet werden, damit Renten- oder Pensionszahlungen eingestellt werden und keine Rückforderungen entstehen.

Die unbezahlten Rechnungen (Handwerker, Ärzte, Finanzamt etc.) werden sich stapeln und sind zu begleichen, wenn sie zu Lebzeiten ordnungsgemäß veranlasst worden sind.

4. „Strukturieren“

Bald heißt es dann auch:

  • Klarheit über den Antritt des Erbes zu gewinnen (also keine Ausschlagung) und über die Person der Miterben (wenn es da Zweifel) gibt.
  • Erbschein beantragen (wenn kein notarielles Testament vorliegt bzw. dieses nicht ausreicht) und wenn der Erbschein tatsächlich erforderlich ist (nur nach Beratung).
  • Übersicht über den gesamten Nachlass und seine Zusammensetzung erhalten, insbesondere auch Verbindlichkeiten (auch Steuernachzahlungen -> mit dem Steuerberater sprechen). Sichtung einzelner Gegenstände.
  • Liquiditätsplanung machen: Nicht selten ist der Nachlass werthaltig, nur ist aktuell keine oder wenig Liquidität vorhanden, wird jedoch benötigt, wenn z.B. Darlehen weiter bedient werden oder Vermächtnisse erfüllt werden müssen.
  • Erste Überlegungen über die Art der Auseinandersetzung und Aufteilung des Nachlasses, wenn es sich um eine Erbengemeinschaft handelt und der Erblasser per Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnisse keine Vorgaben gemacht hat. Hier betreten wir äußerst schwieriges Terrain und überall befinden sich Tretminen. Behutsamkeit ist Trumpf und allzu forsches Auftreten könnte sehr bald zu atmosphärischen Störungen, diplomatisch ausgedrückt, führen.
  • Ist die Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung erforderlich ? Auch nach dem Erbfall ist – in Grenzen – noch Gestaltungsbedarf. So z.B. über die taktische Ausschlagung oder über das Thema der fortgesetzten Nutzung des Eigenheims. Welcher Liquiditätsbedarf entsteht mit der Erhebung der Steuer ?
  • Immerhin: Wenn Sie die Dinge nicht überstürzen und die vier oben aufgezeigten Phasen systematisch und geordnet durchlaufen, sollte der Rest störungsfreier ablaufen können, als man sich in seinen Albträumen vorgestellt hat.Ich verbleibe mit dieser Hoffnung und mit freundlichen Grüßen.IhrRechtsanwalt Dr. Matthias Baus

    Diese Mandanten-Information ist ein reines Informationsschreiben und dient der allgemeinen Unterrichtung meiner Mandanten und interessierter Personen. Es ersetzt nicht eine rechtliche Beratung.