Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Allgemein

Hier finden Sie im Artikelformat die Newsletter, die ich in den letzten ca. 10 Jahren an meine Mandanten und an interessierte Kreise per Mail versandt habe. Diese stellen eine allgemeine Information und keine individuelle Beratung dar. Wünschen Sie die Aufnahme in die Liste der Empfänger zukünftiger Newsletter, so teilen Sie mir dies bitte über das Kontaktformular mit. Vielen Dank.

Mit diesem Thema müssen Sie sich leider früher oder später beschäftigen. Dabei lasse ich es offen, ob dieses Erfordernis eher für Sie oder für Ihre Eltern bzw. Angehörige gilt.

1. Die Ausgangslage

Wir leben in einer vergreisenden Gesellschaft. Unsere Eltern, aber auch wir werden immer häufiger immer älter, was mit der höheren Lebenserwartung in unserer modernen Industriegesellschaft zusammenhängt.

Juristisch und medizinisch ausgedrückt bedeutet dieses, dass immer häufiger zwischen dem Verlust der körperlichen oder der geistigen Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit einerseits und dem Tod des Betroffenen andererseits lange Zeiträume liegen. Der Wandel der Demographie fordert also seinen Tribut. In solchen Fällen, wenn also der Betroffene nicht mehr für sich selbst frei entscheiden kann, ist eine sogenannte Betreuung erforderlich, die – wenn keine anderen vorsorglichen Maßnahmen getroffen worden sind – von dem zuständigen Betreuungsgericht veranlasst wird.

Die statistischen Zahlen sprechen für sich: Es gibt zurzeit in Deutschland ca. 1,5 Mio Bürger, denen im Wege eines gerichtlichen Betreuungsverfahren ein Betreuer, in der Regel ein Berufsbetreuer, zugewiesen worden ist. Jedes Jahr gibt es mindestens 250.000 neue Bestellungsverfahren bei den zuständigen Gerichten. Damit hat sich die Zahl solcher Verfahren in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht. Die Zahl der betreuten Bürger in Deutschland liegt je nach Region zwischen 1 bis 2,5 % der Bevölkerung.

Mit dem 1992 eingeführten Betreuungsgesetz wurde das damalige Vormundschaftsrecht reformiert. Ziel war es u.a. eine Art „Privatisierung der Altersvorsorge“ in der Gesellschaft zu etablieren. Die gerichtlich angeordnete Betreuung soll gewissermaßen nur subsidiär gelten. Vorrangig soll der Bürger für den letzten Lebensabschnitt in die Lage versetzt sein, im Wege sogenannter Vorsorgevollmachten rechtzeitig selber zu bestimmen, welche Person später einmal seine Rechte in einer solchen Lebenssituation ausüben darf. Der Inhalt und die gesetzlichen Anforderungen an eine solche Vorsorgevollmacht wurden in der neuen Vorschrift des § 1901 a BGB formuliert.

2. Die Vorteile der Vorsorgevollmacht

Die Vorteile von solchen Vorsorgevollmachten oder Vorsorgeverfügungen sind nicht von der Hand zu weisen: Die staatliche Betreuung genießt nicht den allerbesten Ruf und ist gelegentlich, allein wegen der Genehmigungserfordernisse, recht schwerfällig. Eine private Vorsorgevollmacht vermeidet das häufig psychisch belastende Betreuungsverfahren bei Gericht. Über eine private Vorsorgevollmacht kann die körperliche oder geistige Schwäche des Betroffenen häufig geheim gehalten werden. Ganz wesentlich ist, dass der Vollmachtgeber mittels der Vorsorgevollmacht selbst bestimmt, wer später einmal seine Interessen wahrnehmen soll. Mit einer Vorsorgevollmacht die, wie schon der Name sagt, bei Bedarf, dann jedoch sofort „aus der Schublade gezogen werden kann“, ist der Betroffene sehr flexibel. Schließlich ist eine Vorsorgevollmacht deutlich kostengünstiger als ein aufwändiges gerichtliches Betreuungsverfahren.

Auch wenn sich die vorgenannten Vorteile i.d.R. erst im Alter einstellen, so ist die Vorsorgevollmacht für jüngere Menschen, die Familie haben oder geschäftlich und unternehmerisch sehr rege sind, unverzichtbar, da niemand vor unvorhergesehenen Schicksalsschlägen gefeit ist.

3. Welche Formen der (Vorsorge-)Vollmacht gibt es?

Bei der Vorsorgevollmacht ist folgende Begrifflichkeit zu unterscheiden. Allgemein bekannt ist die sogenannte Generalvollmacht, die – häufig vor einem Notar beurkundet – den Bevollmächtigten jede erdenkliche Handlungs- und Vertretungsfähigkeit für den Vollmachtgeber einräumt. Allerdings erfasst diese nicht diejenigen Situationen, die nicht mit Rechtshandlungen im engeren Sinne zu tun haben, nämlich den medizinischen Bereich. D.h.: welche medizinischen Eingriffe sollen in bestimmten Situation erfolgen bzw. haben zu unterbleiben (Patientenverfügung). Auch deckt die Generalvollmacht häufig keine Maßnahmen der sog. Unterbringung (Seniorenresidenz u.ä.) ab.

Sinnvollerweise sollte daher die Vorsorgevollmacht in einem weiteren Abschnitt ebenfalls die vom Vollmachtgeber in solchen Situationen gewünschten medizinischen Behandlungsformen erfassen, einschließlich einer etwaigen medizinischen Zwangsbehandlung, sofern diese von der Vorsorgevollmacht ausdrücklich gedeckt ist (so der mit Wirkung zum 26.2.2013 neugefasste § 1906 Abs. 3 BGB).

Im rechtsgeschäftlich-praktischen Bereich regelt die Vorsorgevollmacht, dass der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten einschließlich des Post- und Telekommunikationsbereiches vertreten darf. Somit kann der Bevollmächtigte gegenüber Banken, Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern Erklärungen abgeben oder beispielsweise über Konten und Depots verfügen.

Ebenso berechtigt die Vorsorgevollmacht neben der oben schon erwähnten Entscheidungshoheit in medizinischen Behandlungsfragen, in sonstigen Gesundheitsangelegenheiten Informationen bei Ärzten, Krankenhäusern oder Krankenversicherungen einzuholen.

Die zusätzliche Besonderheit einer Vorsorgevollmacht im Vergleich zu einer Generalvollmacht ist diejenige, dass die Vorsorgevollmacht im sogenannten Innenverhältnis, d. h. dem Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten, nur dann gelten und eingesetzt werden soll, wenn der betroffene Vollmachtgeber selbst tatsächlich nicht mehr handeln kann. Da diese Frage der Handlungsfähigkeit häufig medizinisch und tatsächlich schwer zu entscheiden ist, sollte diese Einschränkung den Bevollmächtigten nur im Innenverhältnis binden und sollte daher in der Formulierung im Außenverhältnis keine Einschränkungen beinhalten.

4. Wer soll bevollmächtigt werden?

Für viele ältere Menschen ist es eine Kardinalfrage, wer überhaupt bevollmächtigt werden soll und wann bzw. unter welchen Umständen der Bevollmächtigte tatsächlich von der Vollmacht Gebrauch machen kann bzw. sodann über die Vollmachtsurkunde tatsächlich verfügt und mit dieser im Außenverhältnis auftreten kann. Natürlich muss diese Person das absolute Vertrauen des Vollmachtgebers genießen.

Es bestehen zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten. Der Vollmachtgeber kann beispielsweise mehrere Angehörige oder nahestehende Personen gemeinschaftlich bevollmächtigen. Er kann zunächst die ausgefertigte Vollmacht zurückhalten und beispielsweise seinen Hausarzt bitten, diese erst dann dem darin ausgewiesenen Bevollmächtigten auszuhändigen, wenn der Vorsorgefall eingetreten ist. Es ist ferner zu überlegen, ob die Vollmacht auch über den Tod hinaus gelten soll – bis z.B. handlungsfähige Erben zur Stelle sind.

Bei der Patientenverfügung besteht vielfältiger Regelungsbedarf. Es ist Sache jedes Einzelnen zu entscheiden, welche Form der medizinischen Behandlung er in einer existenziellen, medizinisch kritischen Situation erhalten möchte bzw. auf welche lebensverlängernden Maßnahmen sodann verzichtet werden soll. Letztlich muss hier jeder Vollmachtgeber selber entscheiden, wie sehr und wie lange er sich „an das Leben klammern“ möchte oder unter welchen klar zu definierenden Bedingungen von lebensverlängernden Maßnahmen abzusehen ist, wenn irreversibel feststeht, dass der Vollmachtgeber nicht mehr gesunden wird.

Sofern hier nicht der Vollmachtgeber seinen dezidierten Willen geäußert hat, wird sich ein gerichtlich bestellter Betreuer alleine dem Votum und der Einschätzung der Ärzte anvertrauen, die nach ihren (ethischen) Berufsausübungsregelungen grundsätzlich zu lebensverlängernden Maßnahmen tendieren (müssen).

5. In welcher Form sollte die Vorsorgevollmacht erteilt werden?

Das absolute Minimum an Formerfordernis ist Schriftlichkeit. Wer auf der völlig sicheren Seite liegen möchte und zusätzliche Beurkundungsgebühren des Notars für eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht nicht scheut, der geht am besten zum Notar. Dabei ist es ferner möglich, eine „individuell gestrickte“ Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung erst einmal selbst, ggf. nach anwaltlicher Beratung, aufzusetzen und diese lediglich zur Beglaubigung – also nicht zur Beurkundung – beim Notar zu unterzeichnen. Die bloße Beglaubigung (statt der Beurkundung) ist dort, wenn das Vermögen z.B. einen Wert von € 250.000 hat, für ca. € 100.- zu erhalten. Der Vorteil einer notariell beurkundeten oder wenigsten notariell beglaubigten Vorsorgevollmacht liegt im Falle von vorhandenem Grundvermögen auf der Hand: Nur über die notarielle Beglaubigung bzw. Beurkundung ist der Bevollmächtigte ausreichend legitimiert, um Immobilientransaktionen – wie z.B. der Verkauf des Eigenheims – vorzunehmen und die Veränderung der Eintragung im Grundbuch zu bewirken (vgl. § 29 GBO).

Auch einfache privat-schriftliche Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen können beim sog. Zentralen Vorsorgeregister in Berlin hinterlegt werden (näheres dazu unter www.vorsorgeregister.de / Wege-zum-Register).

6. Was ist jetzt aus Ihrer Sicht konkret zu tun?

Ich empfehle Ihnen folgende konkrete Schritte bzw. Überlegungen in Zusammenhang mit dem Thema Vorsorgevollmacht / Patientenverfügung:

  • Liegt bei Ihnen bzw. bei den nächsten Angehörigen überhaupt eine Vorsorgevollmacht / Patientenverfügung vor.
  • Sind Sie alleinstehend bzw. ohne nächste Angehörige, sind Sie unternehmerisch sehr aktiv, tragen Sie die Verantwortung für eine (Groß-)Familie – dann ist eine solche Vorsorgevollmacht für Sie besonders wichtig.
  • Wenn sie vorliegt: Sind die richtigen Personen bevollmächtigt, ist das Original der Urkunde vorhanden und jederzeit – für den Bevollmächtigten – verfügbar bzw. kann es verfügbar gemacht werden ?
  • Ist sie, wenn Grundstücke im Spiele sein könnten, in der richtigen Form, d.h. notariell beurkundet oder wenigstens notariell beglaubigt ?
  • Sind im „Innenverhältnis“, falls Ihnen das wichtig sein sollte, ausreichend und klare Anweisungen an den Bevollmächtigten erteilt ? Ist bzw. sollte darin geregelt sein, dass die Vorsorgevollmacht auch über den Tod hinaus gilt ?
  • In jedem Falle macht es daher Sinn, sich auch schon in jüngeren Jahren mit dem Thema zu befassen, da auch außergewöhnliche Umstände und Schicksalsschläge schnell zu existenziellen Situationen führen, in denen nicht nur der Betroffene, sondern letztlich auch die gesamte Familie handlungsfähig bleiben muss.

Es verbleibt mit freundlichen Grüßen

Ihr

Rechtsanwalt Dr. Matthias Baus

Diese Mandanten-Information ist ein reines Informationsschreiben und dient der allgemeinen Unterrichtung meiner Mandanten und interessierter Personen. Es ersetzt nicht eine rechtliche Beratung.